OVERWHELMING DOUBT
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https://vimeo.com/687101121
Der Zweifel, der wie ein Gespenst in den Räumen weilt und über die Dinge wacht. Über jene Markierungen, die sich innerhalb des Territorialen gebaren. Eine Welt aus Polaritäten, kollidierende, sich ineinander verkeilende Energien. Eine Sprache, die sich nicht um Nuancen und Differenzierungen bemüht. Skizzen in schwarz und weiß. Eine Logik, die das Spielerische instrumentalisiert, ihre Regeln verhüllt, ihre Opfer negiert. Stringente Ordnungen im simultanen Fall.
In diesem Gefecht - sinnliche Körper. Eingepfercht in sinnlose Schleifen. Die gleichen Antagonismen,
in denen sich die Kämpfe wieder und wieder verfangen.
Und dazwischen spukt der Zweifel. Flüsternd und gierig umzingelt er das Sinn-Gerüst, grast mit mutig spuckender Lippe dessen Zwischenräume ab. Er stolpert durch das Ungewisse und dann sitzt er auf der Schulter, mal tobend und pfeifend, mal tanzend und singend, mal mahnend und belehrend, mal halbstark und naiv, meistens jedoch schlau und erhellend. („Im Zweifel für den Zweifel“.) Und dann klopft er uns ab, auf unseren Glauben, unser Vertrauen, unsere Beständigkeit und unsere enthüllten Bekenntnisse.
Er fragt uns aus, über unsere Wünsche und Ideale, über unser Verlangen und unsere Loyalität.
Der Zweifel gleicht einer akrobatischen Leistung. Er beginnt als Spagat und endet als Drahtseilakt.
Er pendelt zwischen Bewegung und Fall und riskiert den performativen Bruch. Etwas, das eint und trennt.
Der Zweifel als Muskel von Kreativität und Transformation, als Elixier von Kritik, als Bedingung für das Ereignis. Freiräume des Experimentierens. Gesucht wird das Potential, das unter der Oberfläche schwillt, das dazu auffordert, die Grundpfeiler ins Wanken zu bringen, Unruhe zu stiften, Chaos walten zu lassen. Zwischen aktiv und passiv. Zwischen Ankreiden und Vertrauen, Angst und Glauben. Zonen des Ungewissen, in denen sich die Ambivalenzen zwischen Subjekt und Kollektiv, Individuum und Gesellschaft aushandeln.
Jeder Ordnung ist eine Unordnung vorangegangen, ein Suchen, Finden, Arrangieren, ein variables Aufeinandertreffen von Elementen. Das Ereignis, durch das Sinn gestiftet, Bedeutung generiert, Kontinuität geschrieben wird. Gefühle, die empfunden und artikuliert werden. Narrative, die gedacht und tradiert werden. Entitäten, die sich manifestieren. Akkumulierte Formen. Zusammengetragene Schnittstellen. Gesetzte Verflechtungen.
Schuster und Plikat verweisen auf den Körper als wahrnehmende, politische Realität.
Der - verharrend zwischen Schockstarre und Apathie - sich selbst immer wieder zu verfehlen droht. Eingezwungen in mechanische Abläufe aus Kalkulation und Vorhersehbarkeit, in maschinelle Klammerungen aus Effizienz und Funktionalität. Takte der Norm, Laufbänder der Gewohnheit,
Schemata der Erwartungen und Imperative.
Sie befragen den Zweifel als Öffnung und als Verschluss, als Einladung und Blockade, als Waffe und als Irrtum. Etwas, das sich zwischen den starren Hegemonien, semantischen Verhärtungen verbirgt.
Sie tun dies simultan und in Differenz zueinander, synchron und asynchron. Ihre Bewegungen finden getrennt und nicht isoliert voneinander statt. Währenddessen zeichnen ihre Blicke und Bewegungen das nach, was unsichtbar bleibt. Verborgene Linien. Grenzen, die ausgelotet werden müssen, pendelnd, balancierend, sinnlich und reflexiv.
Ihre Bewegungen rekurrieren auf die Widersprüche zwischen dem Kollektiv und dem Subjekt, zwischen dem Versprechen von Einheit und der Bedingung von Selbstaufgabe.
Kommerz als Hoffnung, etwas, das Gemeinschaft simuliert. Dazwischen der Zweifel. Beständig wie fragil. Zwischen stiller Ahnung und lautem Widerstand, zwischen Versprechen und Verdikt.
Das Politische verschwindet mit den Grenzen.
Derweil der Zweifel als Impuls. Als Öffnung. Als Spalt. Ein Riss im Fundament. Zerrungen, die dem Ereignis Raum geben. Ein Körper, der empfindet.
Letztlich ist es nur ein Moment, der entscheidet, zwischen aktiv und passiv.
Letztlich ist es nur ein kritischer Körper, der um die Differenz weiß, zwischen Bewegung und Stillstand.
Text: Mariann Diedrich
concept, performance: Silke Schuster
co-creation & performance: Mira Plikat
costume & styling: Sarah Ferreira dos Santos
camera, video editing: Johanna Terhechte
sound: M42 / Tim Diedrich
layout: Sophia Schach
Funded by the Ministry of Culture and Science of the State of NRW